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Beiträge 2018


28.10.2018: Zum Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (keine Gestaltungswirkung der gewählten Nacherfüllungsart) 

BGH, Urteil v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17

Mit Urteil v. 24.10.2018 hat der VIII. Zivilsenat des BGH (VIII ZR 66/17) über mehrere, bis dahin höchstrichterlich noch nicht geklärte Fragen im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsanspruch des Käufers auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache gem. § 437 Nr. 1, § 439 BGB entschieden. Insbesondere hat er entschieden, demvom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 I Var. 2 BGB) stehe nicht entgegen, dass er zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 I Var. 1 BGB), verlangt hat. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs sei (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) gesetzlich nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, sodass der Käufer nicht daran gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen und die andere Art der Nacherfüllung zu wählen.
Ob das Urteil überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.

Ausgangslage: Ist die Sache mangelbehaftet, tritt keine Erfüllungswirkung ein. Der Käufer hat einen Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB). Sollte diese nicht möglich oder (für Verkäufer oder Käufer) unzumutbar sein, tritt an die Stelle der Nacherfüllung Minderung des Kaufpreises oder Rücktritt vom Vertrag (§ 437 Nr. 2 BGB). Schadensersatz (§ 437 Nr. 3 BGB) ist daneben ebenfalls möglich, sofern der Schaden nicht schon durch die Minderung oder den Rücktritt abgegolten ist. Diese Rechte setzen allesamt einen Sachmangel (gem. § 434 BGB) voraus (dazu später). 

Das genannte Recht auf Nacherfüllung besteht wiederum aus zwei Varianten, der Lieferung einer mangelfreien Sache und der Beseitigung des Mangels (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB). Der Käufer hat ein Wahlrecht (vgl. § 439 I BGB: „...nach seiner Wahl“). Eine Beschränkung des Wahlrechts (etwa durch AGB) ist grds. unzulässig (vgl. § 309 Nr. 8 b) bb) BGB), weil eine solche die gesetzgeberische Entscheidung unterliefe. Der Käufer kann also grds. frei wählen, ob er die Sache repariert haben möchte oder lieber eine mangelfreie Nachlieferung gegen Tausch seiner (defekten) Sache haben möchte. Hat sich der Käufer für eine Form der Nacherfüllung (Reparatur oder Ersatz) entschieden, kann der Verkäufer nur dann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ablehnen, wenn diese unmöglich ist oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten zu leisten ist und angesichts der Interessen des Käufers sowie des Wertes der Kaufsache die andere Form der Nacherfüllung dem Käufer zumutbar ist. Fraglich ist allein, ob der Käufer an die von ihm gewählte Art der Nacherfüllung gebunden ist oder er nachträglich noch zur anderen Art wechseln kann. Diese Frage war Gegenstand der BGH-Entscheidung. 

Dieser lag folgender Sachverhalt zugrunde (abgewandelt, um das Problem zu fokussieren): Im August 2018 hatte die K-GmbH, vertreten durch K, beim Autohaus A-GmbH, vertreten durch A, ein Neufahrzeug des Typs Sport Luxury als Dienstwagen erworben, das Anfang September geliefert wurde. Der Kaufpreis betrug 42.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet. Ab Anfang Oktober zeigte das Multifunktionsdisplay mehrfach eine Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Trotz mehrerer Werkstattaufenthalte ergab sich keine Besserung. A hat auch einen Mangel in Abrede gestellt. Man habe K mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine. Nachdem diese Warnmeldung auch anschließend aufgetreten war, stellte K Ende Oktober das Fahrzeug auf dem Betriebshof der A-GmbH ab und verlangte die Lieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs, was A mit dem Argument der Unverhältnismäßigkeit ablehnte. Zudem sei inzwischen ein Softwareupdate verfügbar, das man mittlerweile auch aufgespielt habe, wodurch der Mangel beseitigt worden sei.  

Lösung: Der geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung könnte sich aus §§ 437 Nr. 1, 439 I Var. 2 BGB ergeben. Ein wirksamer Kaufvertrag, der Grundlage für Gewährleistungsrechte ist, liegt vor. Es müsste aber auch ein Sachmangel vorgelegen haben. Ganz allgemein gesprochen ist jede für den Käufer negative Abweichung des Ist-Zustands vom Soll-Zustand ein Sachmangel. Nach der gesetzlichen Systematik des § 434 BGB ist bei der Mangelfeststellung nach einer ganz bestimmten Stufenfolge vorzugehen. So ist nach § 434 I S. 1 BGB die Sache nur dann frei von Sachmängeln („Fehlern“), wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Während unter „Gefahrübergang“ der Zeitpunkt der Übergabe gem. § 446 BGB zu verstehen ist, bedeutet Beschaffenheitsvereinbarung die auf Vorstellungen der Parteien beruhende Vereinbarung über die Beschaffenheit oder den Verwendungszweck der gekauften Sache. Weicht die objektive Beschaffenheit von der vereinbarten ab, liegt ein Sachmangel vor (= subjektiver Fehlerbegriff). Bei einem Neuwagenkauf versteht es sich von selbst, dass der Käufer ein fabrikneues, ungenutztes und mangelfreies Fahrzeug erwarten kann. Die Kupplung selbst arbeitet vorliegend jedoch fehlerfrei. Insoweit liegt also kein Mangel vor. Allerdings gehört zur Beschaffenheit eines Neufahrzeugs auch, dass keine Falschmeldungen im Display erscheinen. Auch dahin geht die Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich eines Neufahrzeugs. In jedem Fall aber greift § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB, wonach eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln ist, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und so beschaffen ist, wie dies bei gleichartigen Sachen üblich ist und wie der Käufer dies nach der Art der Sache erwarten kann. Der Käufer eines Neufahrzeugs darf erwarten, dass nur korrekte Warnmeldungen angezeigt werden. An dieser Beurteilung als Sachmangel ändert sich auch dann nichts – wie der BGH zu Recht formuliert –, wenn der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Denn wie aufgezeigt hat der Käufer eines Neufahrzeugs die berechtigte Erwartung, nur zutreffende Warnmeldungen zu erhalten. Dieser Mangel lag schließlich zum Zeitpunkt der Übergabe, also des Gefahrübergangs gem. § 446 BGB, vor.

Liegt danach ein Sachmangel vor, richten sich die Rechte der Käufers nach § 437 BGB. Der Käufer hat zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung. Dieser Anspruch besteht aus zwei Varianten, der Lieferung einer mangelfreien Sache und der Beseitigung des Mangels (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB). Hat sich der Käufer für eine Form der Nacherfüllung (Reparatur oder Ersatz) entschieden, kann der Verkäufer nur dann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ablehnen, wenn diese unmöglich oder unzumutbar ist (siehe oben). Ob das vorliegend angenommen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden, wenn bereits der Wechsel von der Nachbesserung zur Nachlieferung ausgeschlossen ist.

Fraglich ist daher, ob der Käufer an die von ihm gewählte Art der Nacherfüllung gebunden ist. Bezüglich des Rücktritts und der Minderung ist zunächst klar, dass ein Wechsel vom Rücktritt zur Minderung nicht möglich ist, da mit dem Rücktritt rechtsgestaltend ein Rückgewährschuldverhältnis eingeleitet wird. Was die Frage nach einem Wechsel vom bereits erklärten Minderungsrecht zum Rücktritt betrifft, hat der BGH entschieden, dass auch dies nicht möglich ist. Auch die mangelbedingte Minderung des Kaufpreises sei vom Gesetzgeber als Gestaltungsrecht ausgeformt worden. Mit der Ausübung des Minderungsrechts habe der Käufer von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht. Der Käufer sei daher daran gehindert, hiervon wieder Abstand zu nehmen und stattdessen wegen desselben Mangels auf großen Schadensersatz überzugehen und unter diesem Gesichtspunkt Rückgängigmachung des Kaufvertrags zu verlangen (BGH 9.5.2018 – VIII ZR 26/17 unter Verweis auf BT-Drs. 14/6040, S. 221, 223, 234 f.).Da der große Schadensersatz wie der Rücktritt eine Rückabwicklung des Kaufvertrags zur Folge hat und damit ausscheidet, wenn der Käufer durch Kaufpreisminderung das Äquivalenzinteresse wiederherstellen möchte, dürfte in Bezug auf das Verhältnis Minderung/Rücktritt nichts anderes gelten.

In Bezug auf die Nacherfüllung hat der BGH jedoch keine Gestaltungswirkung angenommen. Er hat entschieden, dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 I Var. 2 BGB) stehe nicht entgegen, dass er zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 I Var. 1 BGB), verlangt hat. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs sei (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) gesetzlich nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, sodass der Käufer nicht daran gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen und die andere Art zu wählen.

Folgt man dem, war also K nicht an seine ursprüngliche Wahl (Nachbesserung) gebunden und durfte nachträglich zur Nachlieferung wechseln. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass der Anspruch auf Nachlieferung auch begründet ist. Denn gem. § 439 IV S. 1 BGB kann der Verkäufer – unbeschadet des § 275 II, III BGB – die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern (Einrede des Verkäufers), wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Genau dies macht A geltend, indem er meint, die von K gewählte Art der Nacherfüllung (Lieferung eines Ersatzfahrzeugs) würde im Vergleich zur anderen Art (Aufspielen eines Softwareupdates) unverhältnismäßige Kosten verursachen. Ob eine solche relative Unverhältnismäßigkeit besteht, ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (so der BGH). Dabei sind gem. § 439 IV S. 2 BGB insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte.

Dass die Kosten einer Ersatzlieferung (Lieferung eines Ersatzwagens) deutlich höher sind als die Kosten der Nachbesserung durch ein Softwareupdate, liegt auf der Hand. Jedoch hat der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts bestätigt, dass dem Mangel erhebliche Bedeutung (§ 439 IV S. 2 BGB) zukomme, weil er die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs spürbar einschränke. Insoweit sei wiederum ohne Einfluss, dass A die Einblendung der irreführenden Warnmeldung durch das Aufspielen einer korrigierten Software beseitigt hat. Denn für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der Nacherfüllung sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens maßgebend.

Allerdings hat der BGH zu Recht darauf hingewiesen, dass nach § 439 IV S. 2 BGB der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung durchaus verweigern darf, wenn die vom Verkäufer vorgenommene Beschränkung der Nacherfüllung keine erheblichen Nachteile für den Käufer mit sich bringt. Wenn vorliegend also der Mangel vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt werden kann, liegt in der Beschränkung der Nacherfüllung auf die Variante der Nachbesserung kein erheblicher Nachteil für K. Insofern hat der BGH die Sache zwecks Beweisaufnahme zurückverwiesen.

Ergebnis: Geht man davon aus, dass die Falschmeldung durch ein Softwareupdate tatsächlich behoben worden ist, war der Wechsel des K von der Nachbesserung zur Nachlieferung wegen relativer Unverhältnismäßigkeit für A ausgeschlossen. Der BGH-Entscheidung ist mithin zuzustimmen.

Weiterführender Hinweis: Ist damit höchstrichterlich geklärt, dass der Käufer von der zunächst gewählten Mangelbeseitigung wieder Abstand nehmen und zur Nachlieferung wechseln kann (das war die Konstellation der BGH-Entscheidung), stellt sich die Frage, ob das (zwingend) auch umgekehrt gilt, ob also der Käufer auch von der zunächst gewählten Nachlieferung Abstand nehmen und zur Mangelbeseitigung wechseln darf.
  • Dafür spricht die Formulierung des BGH: „…sodass der Käufer nicht daran gehindert ist, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen und die andere Art zu wählen“. Nach dieser offenen Formulierung wäre ein Wechsel von der Nachlieferung zur Nachbesserung also möglich.
  • Dagegen spricht die der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Fallkonstellation, in der es um einen Wechsel von der Nachbesserung zur Nachlieferung ging. Es ist daher ungewiss, ob der BGH einen Wechsel auch zugelassen hätte, wenn es um einen Wechsel von der Nachlieferung zur Nachbesserung gegangen wäre. Denn hier ist die Interessenlage durchaus anders, etwa, wenn der Verkäufer bereits eine Ersatzsache bestellt oder eingekauft hat und der Käufer es sich dann anders überlegt und plötzlich Nachbesserung verlangt.       
Beispiel: K kauft im Elektronikfachmarkt des V einen neuen Laptop. Nach einigen Tagen tritt ein (irreparabler) Defekt am Bildschirm auf. K verlangt Nacherfüllung in Form der Nachlieferung. Dann aber wird ihm bewusst, dass der Transfer verschiedener nachträglich erworbener und installierter Programme auf einen neuen Laptop recht mühsam wäre. Daher entscheidet er sich um und verlangt nunmehr Nachbesserung, d.h. Austausch des Monitor-Bauteils.

Lösung: Unter Zugrundelegung der offenen BGH-Formulierung wäre es zulässig, wenn K von seiner ursprünglichen Wahl (Nachlieferung) „zurückträte“ und nachträglich zur Nachbesserung wechselte. Dem könnte V dann lediglich die Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 4 S. 1 BGB entgegenhalten, wenn er bspw. ein Ersatzgerät bei seinem Lieferanten bestellt hätte und dieses nicht mehr ohne weiteres zurückgeben könnte.   

R. Schmidt (28.10.2018)


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