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Beiträge 2018


Zur Frage nach der Wirksamkeit von „Leihmutterverträgen“

Zugleich Buchauszug und Leseprobe aus R. Schmidt, FamR, 10. Aufl. 2018, Rn. 472 ff.

Nach der Legaldefinition in § 1591 BGB ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. Diese Feststellung mag auf den ersten Blick selbstverständlich, geradezu banal sein, sodass sich die Frage stellt, warum der Gesetzgeber sich veranlasst sah, die Mutterschaft legalzudefinieren. Bei hintergründiger Betrachtung wird jedoch deutlich, dass § 1591 BGB durchaus eine wichtige Aussage trifft. Denn der Grundsatz: „mater semper certa est“ (sinngemäß: die Mutter ist immer gewiss), der an die Geburt als äußeres Beweiszeichen anknüpft, kann in Zeiten moderner Fortpflanzungsmedizin, in denen auch „Leihmutterschaft“ und „Ersatzmutterschaft“ medizinisch möglich sind, nicht mehr uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Zu klären sind daher diese Begriffe, um der Frage nach der Wirksamkeit von "Leihmutterverträgen" nachgehen zu können. 

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend spricht man von einer Leihmutterschaft, wenn eine Frau, die „Leihmutter“, sich bereiterklärt, ein fremdes Kind auszutragen, zu gebären und es nach der Geburt den „Bestelleltern“, d.h. den Personen, von denen Ei- und Samenzellen stammen, zu überlassen. Juristisch ist der Begriff „Leihmutter“ indes in mehrfacher Hinsicht falsch. Zunächst „verleiht“ die Tragemutter ihren Körper (d.h. ihre Gebärmutter) nicht, da zum einen Gegenstand eines Leihvertrags nur eine Sache (und kein Uterus) sein kann (vgl. § 598 BGB) und zum anderen auch nicht der Besitz am Uterus überlassen wird. Zudem handelte es sich, wenn man schon in Kategorien zivilrechtlicher Gebrauchsüberlassung spricht, um einen Mietvertrag (§ 535 BGB), da – wie regelmäßig – das Austragen gegen Entgelt erfolgt. Schließlich verbietet es schon die Menschenwürde, den Körper wie eine Sache zu behandeln. Das Gesetz verwendet den Begriff „Leihmutter“ auch nicht, sondern spricht ausschließlich von Ersatzmutterschaft und knüpft zudem an spezielle reproduktionsmedizinische Konstellationen an. 
  • Gemäß der Legaldefinition in § 1 I Nr. 7 ESchG ist Ersatzmutter eine Frau, die bereit ist, das aufgrund künstlicher Befruchtung gezeugte oder aufgrund Embryonenspende von ihr ausgetragene Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen. Hauptfall ist der, dass einer Frau (der „Tragemutter“) entweder eine noch nicht befruchtete Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt (sog. Eizellspende) und diese dann natürlich oder künstlich befruchtet (inseminiert) wird oder ihr eine bereits natürlich oder künstlich befruchtete Eizelle einer anderen Frau, d.h. ein Embryo (als Embryo gilt gem. § 8 I ESchG die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle. „Befruchtet“ ist die Eizelle nicht bereits dann, wenn ein Spermium in die Eizelle eingedrungen ist (sog. Imprägnation), sondern erst dann, wenn ein Spermium in den Zellkern der Eizelle gelangt ist und sich die jeweiligen Chromosomensätze vereinigt haben (Kernverschmelzung – sog. Konjugation); vgl. dazu Taupitz/Hermes, NJW 2015, 1802 m.w.N.). eingepflanzt wird (sog. Embryonenspende), damit sie das Kind austrägt, gebärt und danach den Wunscheltern überlässt. In diesem Fall ist es somit nicht die Eizelle der Ersatzmutter, aus der das Kind entsteht. Die Ersatzmutter ist in diesem Fall daher nicht die genetische Mutter des Kindes. Genetische und gebärende Mutter sind in diesem Fall personenverschieden („gespaltene“ Mutterschaft). Wegen § 1591 BGB ist jedoch die gebärende Frau die rechtliche Mutter. 
  • Enger ist die Legaldefinition in § 13a AdvermiG. Danach ist Ersatzmutter eine Frau, die (aufgrund einer Vereinbarung) bereit ist sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen (Nr. 1) oder einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen (Nr. 2) und das Kind nach der Geburt Dritten zur Annahme als Kind oder zur sonstigen Aufnahme auf Dauer zu überlassen.
Im Fall des § 13a Nr. 1 AdvermiG ist Ersatzmutter i.S.d. § 13a AdvermiG i.d.R. eine Frau, die sich aufgrund einer vorherigen Vereinbarung mit den „Bestelleltern“ mit dem Samen des Bestellvaters (natürlich oder künstlich) befruchten lässt, das Kind austrägt, gebärt und anschließend der Bestellmutter überlässt. Die Ersatzmutter ist in diesem Fall die genetische und wegen § 1591 BGB auch die rechtliche Mutter des Kindes. Eine „gespaltene“ Mutterschaft, wie dies nach § 1 I Nr. 7 ESchG bzw. § 13a Nr. 2 AdvermiG möglich ist, existiert in diesem Fall also nicht.

Damit erfassen § 1 I Nr. 7 ESchG und § 13a AdvermiG aufgrund ihres Regelungsinhalts sämtliche Konstellationen, in denen eine Frau bereit ist, ein aufgrund künstlicher Befruchtung (auch im Rahmen einer Eizellspende) gezeugtes und von ihr ausgetragenes Kind oder ein aufgrund einer Embryonenspende von ihr ausgetragenes Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen.

Aufgrund der oben dargestellten „gespaltenen“ Mutterschaft war lange Zeit zweifelhaft, wer juristisch als Mutter anzusehen ist, d.h. die Frau, deren Eizelle in den Uterus der anderen Frau eingesetzt wurde, oder die Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat. Der Gesetzgeber hat sich mit der bereits erwähnten, am 1.7.1998 in Kraft getretenen Regelung des § 1591 BGB für die gebärende Mutter entschieden und damit seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er die psychosoziale und physische Bindung der gebärenden Mutter für gewichtiger erachtet als die genetische Abstammung. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Denn i.d.R. binden Schwangerschaft und Geburt die gebärende Frau und das Kind eng an-einander, sodass die Übernahme von Verantwortung für das Neugeborene am ehesten von der gebärenden Frau statt von der genetischen zu erwarten ist (vgl. Wellenhofer, in: MüKo, § 1591 Rn. 4). Bei einer Ersatzmutterschaft wird man dies aber nicht unbedingt annehmen können, sodass in diesem Fall weniger die psychosoziale und physische Bindung der gebärenden Mutter als die sichere rechtliche Zuordnung (Statusklarheit) das Motiv für die Mutterschaftszuordnung sein dürfte. Eine Mutterschaftsanfechtung ist wegen § 1591 BGB (und nicht gegebener Anfechtungsmöglichkeit) in jedem Fall ausgeschlossen.

Der deutsche Gesetzgeber ist sogar so weit gegangen, dass er die Ersatzmutterschaft verboten und für einige Beteiligte unter Strafe gestellt hat. So macht sich strafbar, wer es unternimmt, bei einer Ersatzmutter eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen (§ 1 I Nr. 7 ESchG). Die Ersatzmutter und die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will, sind von der Strafbarkeit ausgenommen (§ 1 III Nr. 2 ESchG). Und wer entgegen § 13c AdvermiG Ersatzmuttervermittlung betreibt, diesbezüglich einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt oder sogar gewerbs- oder geschäftsmäßig handelt, macht sich gem. § 14b I bzw. II AdvermiG strafbar. Auch von dieser Strafandrohung sind gem. § 14b III AdvermiG die Ersatzmutter und die Bestelleltern ausgenommen. 

Die Motive für den Abschluss eines Ersatzmutterschaftsvertrags sind mannigfaltig. Zunächst kommt die „klassische“ Konstellation in Betracht, bei der ein verheiratetes heterosexuelles Paar seinen Kinderwunsch nicht selbst erfüllen kann oder möchte, weil mindestens einer der Partner zeugungsunfähig ist oder an einer Erbkrankheit leidet. Zwar kommt immer auch eine Adoption in Betracht, zumeist wünscht sich das Paar jedoch, dass zumindest einer der Partner genetischer Elternteil sein soll. Virulenter wird die Frage nach der Ersatzmutterschaft jedoch bei homosexuellen männlichen Paaren. Diese sind zwingend auf eine „Leihmutterschaft“ angewiesen, wenn einer der beiden Partner mit dem Kind genetisch verwandt sein soll. 

In allen Konstellationen gilt aber: Wenn die Parteien, d.h. die Wunscheltern (wobei es bei der Frage nach der (Un-)Wirksamkeit von Ersatzmutterverträgen nicht darauf ankommt, ob diese miteinander verheiratet sind) und die Ersatzmutter, versuchen, über einen Vertrag (vgl. § 311 I BGB) die Ersatzmutter (und wegen § 1591 BGB die rechtliche Mutter) zu verpflichten, das Kind nach der Geburt an die Wunschmutter zu übergeben, damit diese im Außenverhältnis (insbesondere gegenüber dem Standesamt) angeben kann, sie habe das Kind geboren, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit eines solchen Vertrags. Einer Wirksamkeit könnte zunächst § 134 BGB entgegenstehen. Ein direktes gesetzliches Verbot einer Ersatzmutterschaft im Verhältnis zwischen Wunscheltern und Ersatzmutter existiert nicht. Straf- bzw. bußgeldbewehrte Verbote sind zwar insbesondere in § 1 I Nr. 7 ESchG und §§ 13c, 14b I sowie § 14b II AdvermiG enthalten (s.o.). Zu einer Nichtigkeit des zwischen den Wunscheltern und der Ersatzmutter geschlossenen „Leihmuttervertrags“ wegen Verstoßes gegen § 134 BGB kommt man also nur, wenn man die genannten Sanktionstatbestände so auslegt, dass daraus ein umfassendes Verbot der Ersatzmutterschaft folgt. Das wäre angesichts der differenzierten gesetzlichen Regelung zumindest problematisch. Nicht unbeabsichtigt hat der Gesetzgeber Wunscheltern und Ersatzmutter von der Sanktionsandrohung ausgenommen. Auch aus § 1591 BGB lässt sich kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB herleiten. Zwar nimmt diese Vorschrift eine rechtliche Zuordnung vor („Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat“), was ggf. zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der vertraglichen Leistungsverpflichtung führt. Jedoch ist auch ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nicht per se nichtig, wie sich aus dem Wegfall der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung des § 306 a.F. BGB ergibt. Wegen § 311a I BGB ist auch ein solcher Vertrag wirksam. Daher ist der Frage nachzugehen, ob sich eine Nichtigkeit des „Leihmuttervertrags“ aus § 138 I BGB ergeben kann. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Was zu den guten Sitten gehört bzw. gegen sie verstößt, ist nach dem Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu bestimmen (BGHZ 10, 228, 232; 69, 295, 297; 141, 357, 361; BGH NJW 2005, 1490 f.). Entscheidend ist nach dem BGH, ob das Rechtsgeschäft seinem Inhalt nach mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist (BGH NJW 1998, 2531, 2532). Freilich wird hierdurch lediglich ein höchst unbestimmter Rechtsbegriff durch andere ersetzt, was die Problematik nicht wirklich auflöst. Immerhin kommt auch nach Auffassung des BGH bei der Frage, was unter „guten Sitten“ i.S.v. § 138 I BGB zu verstehen ist, der Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist, eine wesentliche Bedeutung zu (BGH NJW 1999, 566, 568). Das ist schon deswegen zutreffend, weil sämtliche unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln des einfachen Rechts (und damit auch der vorliegend einschlägige Begriff der „Sittenwidrigkeit“ in § 138 I BGB) nicht ohne Beachtung des übergeordneten Verfassungskreises ausgelegt werden können. Begründen also die Grundrechte nicht nur subjektive Rechte gegenüber dem Staat, sondern verkörpern auch eine objektive Wertordnung (grundlegend BVerfGE 7, 198, 203 ff. (Lüth); vgl. auch R. Schmidt, Grundrechte, 23. Aufl. 2018, Rn. 21 ff.) und sind für die gesamte Rechtsordnung interpretationsleitend, gelten sie zugleich auch mittelbar zwischen Privaten (allgemeine Ansicht, vgl. etwa BVerfG NJW 2018, 1667, 1668 (Stadionverbot); BGH NJW 2015, 489, 491; BGH NJW 2018, 1884, 1886 (jeweils jameda.de). Vgl. auch BVerfG NJW 2015, 2485 f. Grundlegend – wie aufgezeigt – BVerfGE 7, 198, 203 ff. (Lüth). Diesbezüglich hat sich der Begriff „mittelbare Drittwirkung der Grundrechte“ etabliert (auch hier wieder grundlegend BVerfGE 7, 198, 204 ff. (Lüth). Aktuell BVerfG NJW 2018, 1667, 1668 (Stadionverbot).

Damit sind also bei der Auslegung der „Sittenwidrigkeit“ in § 138 I BGB die Grundrechte der Beteiligten in ein Verhältnis praktischer Konkordanz (Begriff nach Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff. Später verwendet bspw. auch von BVerfGE 89, 214, 232; 129, 78, 101 f.; 134, 204, 223; 142, 74, 101 ff. (Verwendung von Samples in Musikstück)) mit den jeweils widerstreitenden Grundrechten zu bringen. Aufseiten der Wunscheltern kommen die Grundrechte aus Art. 6 I GG (hier: Grundrecht auf Familie), aus Art. 6 II GG (Elternrecht, das das Recht auf Elternschaft beinhaltet) sowie aus Art. 2 I i.V.m. 1 I GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) in Betracht. Bei der „Leihmutter“ ist zu differenzieren: Sollte diese aus wirtschaftlichen Gründen handeln (sog. kommerzielle Leihmutterschaft), steht nach wohl h.M. die Menschenwürde des (noch ungeborenen) Kindes (da die Parteien derartige Verträge i.d.R. zu einem Zeitpunkt schließen, in dem es noch nicht zu einer Befruchtung gekommen ist, stellt sich vordergründig die Frage, wie ein noch nicht einmal gezeugtes Kind Menschenwürde haben kann. Stellt man aber auf das potentielle menschliche Leben ab und erstreckt den Schutz der Menschenwürde auf menschliche Keimzellen, ist die Menschenwürde (ebenso wie bei „Genexperimenten“) betroffen; siehe dazu R. Schmidt, Grundrechte, 23. Aufl. 2018, Rn 228) dem Schutz aus Art. 12 I GG auch dann entgegen, wenn die „Leihmutter“ aus finanzieller Not heraus handelt (etwa, um ihre Familie zu versorgen). Denn in diesem Fall werde das Kind zu einer „Handelsware“ (Majer, NJW 2018, 2294, 2295 ff. m.w.N.). Die theoretisch denkbare altruistische Leihmutterschaft, also die uneigennützige und unentgeltliche Leihmutterschaft, ist nach der hier vertretenen Auffassung hingegen von vornherein unproblematisch, und zwar selbst dann, wenn die „Leihmutter“ eine Aufwandsentschädigung erhält. Denn in diesem Fall wird das Kind nicht zur „Handelsware“. Aber auch bei der kommerziellen Leihmutterschaft steht am Ende ein Mensch, der ohne die Leihmutterschaft nicht gezeugt und geboren worden wäre. Es leuchtet nicht ein, wie man darin einen Menschenwürdeverstoß sehen kann. Ebenso wenig überzeugt es, einen Menschenwürdeverstoß aufseiten der Ersatzmutter anzunehmen. Zwar ist es richtig, dass die Menschenwürde indisponibel ist und daher auch nicht zur Disposition der Ersatzmutter steht. Dass sich die Ersatzmutter durch ihr Verhalten aber ihren sozialen Wert- und Achtungsanspruch abspricht, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt (so die Definition des BVerfG (BVerfGE 87, 209, 228), oder sich zum Objekt, d.h. zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabwürdigt (so die Objektformel Dürigs (Dürig, AöR 81 (1956), S. 117, 126). Siehe auch BVerfGE 27, 1, 1; 45, 187, 228), kann nicht angenommen werden. Das gilt erst recht, wenn man bei der Frage nach der Menschenwürde den Schutz vor Erniedrigung, Demütigung, Brandmarkung, Verfolgung und Ächtung hervorhebt. Von alledem kann bei einer (freiwilligen!) Ersatzmutterschaft keine Rede sein. Solange also die Entscheidung zur Ersatzmutterschaft frei von Zwängen ist, die Ersatzmutter eigenverantwortlich handelt und sich auch nicht selbst als „Handelsware“ versteht, geht die Annahme einer Menschenwürdeverletzung fehl.

Aber auch Gleichheitsaspekte spielen eine Rolle. So könnten heterosexuelle Ehepaare, bei denen der Mann zeugungsunfähig ist oder wegen einer (schweren) Erbkrankheit keine Kinder zeugen möchte, völlig legal von einer Reproduktionsklinik eine heterologe Insemination (siehe dazu R. Schmidt, FamR, 10. Aufl. 2018, Rn. 462m) vornehmen lassen. Das Gleiche gilt für homosexuelle weibliche Ehepaare; bei diesen könnten sogar beide Ehepartner eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen. Bei homosexuellen männlichen Ehepaaren ist all dies nicht möglich; diese gleichheitswidrige Differenzierung ließe sich nur mit einer Leihmutterschaft beseitigen. 
  • Verneint man in allen genannten Konstellationen einen Menschenwürdeverstoß, ist die Annahme einer Sittenwidrigkeit der Leihmutterschaft nicht (mehr) zwingend. Sie richtet sich dann unterverfassungsrechtlich allein nach dem „Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (BGHZ 10, 228, 232; 69, 295, 297; 141, 357, 361; BGH NJW 2005, 1490 f.) und es ist danach zu fragen, ob das Rechtsgeschäft seinem Inhalt nach mit den „grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung“ unvereinbar ist (BGH NJW 1998, 2531, 2532). Gerade wegen der Verneinung der Menschenwürdeverletzung ist der Prüfungsmaßstab aber stark herabgesetzt.
  • Sollte man gleichwohl eine Sittenwidrigkeit annehmen, wäre der „Leihmuttervertrag“ gem. § 138 I BGB nichtig. Folge wäre, dass keine Ansprüche bestünden. Die Wunscheltern hätten keinen Anspruch auf Herausgabe des Kindes; die „Leihmutter“ hätte umgekehrt keinen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Selbstverständlich hätte dann die „Leihmutter“ auch keinen Anspruch auf „Abnahme“ des Kindes durch die Wunscheltern. Es bliebe bei der Regelung des § 1591 BGB. 
  • Sollte man (mit der hier vertretenen Auffassung) eine Sittenwidrigkeit verneinen, wäre der Ersatzmuttervertrag wirksam. Grundsätzliche Folge wäre die Verpflichtung zur Erbringung aller Primärpflichten und Beachtung aller Sekundärpflichten. Dann aber stellten sich (unlösbare) Probleme bei „Leistungsstörungen“. Sollen die Wunscheltern ein Recht zur Verweigerung der „Abnahme“ haben, wenn das Kind mit einer Behinderung zur Welt gekommen ist? Oder können die Wunscheltern (bei „Abnahme“ des Kindes) einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn die Tragemutter während der Schwangerschaft Drogen (auch Alkohol) konsumiert hat, wodurch das Kind geschädigt wurde? Ein gangbarer Weg bestünde darin, die Vorschrift des § 120 III FamFG analog anzuwenden. Nach dieser Vorschrift unterliegt die Verpflichtung zur Eingehung der Ehe und zur Herstellung des ehelichen Lebens nicht der Vollstreckung. Dieses Vollstreckungshindernis könnte in analoger Anwendung des § 120 III FamFG auch für den Ersatzmuttervertrag gelten. Folge wäre, dass zwar Leistungsansprüche bestünden, diese aber nicht der Vollstreckung unterlägen. Die Wunscheltern könnten also nicht gezwungen werden, ihren Vertragspflichten nachzukommen. Wegen des Fehlverhaltens der Ersatzmutter wäre diese auch nicht schutzwürdig. Was aber soll gelten, wenn das Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt, die nicht auf ein Fehlverhalten der Ersatzmutter zurückzuführen ist? Möglicherweise kommt es auf all diese Aspekte überhaupt nicht an, wenn man auf die Regelung des § 1591 BGB abstellt. Wie bereits bei Rn. 462f ausgeführt, lässt sich aus der rechtlichen, nicht anfechtbaren Zuordnung des Kindes zu der Frau, die es geboren hat, schließen, dass ein Ersatzmuttervertrag ggf. zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der vertraglichen Leistungsverpflichtung führt. Folgt man diesem Ansatz, ist der Ersatzmuttervertrag zwar nicht allein deswegen nichtig, sondern wegen § 311a I BGB (zunächst) wirksam. Jedoch kommt dann gem. §§ 346 I, 323 I, 326 V, 275 I BGB ein sofortiges Rücktrittsrecht in Betracht mit der Folge, dass zunächst entstandene Ansprüche untergingen. Sollten die Wunscheltern „Vorkasse“ geleistet haben, stünde einem Rückzahlungsanspruch gegenüber der Ersatzmutter aus § 812 BGB auch nicht § 817 S. 2 BGB entgegen. So oder so gilt im Ergebnis: Die Ersatzmutter ist (und bleibt) rechtliche Mutter und muss die Folgen tragen. Freilich stünde es dem Gesetzgeber offen, die Leihmutterschaft gesetzlich zu regeln und eine von § 1591 BGB abweichende Regelung zu treffen.

Fazit: Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlicht haben, ist die Problematik der „Leihmutterschaft“ sehr differenziert zu betrachten, zumal auch moralische und rechtsethische Vorstellungen die rechtliche Beurteilung prägen. Da nach Auffassung des Verfassers weder die Menschenwürde der Ersatzmutter noch die des (zu zeugenden) Kindes verletzt ist, wäre eine gesetzliche Regelung der Ersatzmutterschaft in Deutschland – abweichend von der gegenwärtigen Regelung des § 1591 BGB – möglich. Voraussetzung wäre, dass sie – ähnlich wie die Samenspende – altruistisch (bzw. nur gegen Aufwandsentschädigung) erfolgte, dem Kind dieselben Rechte zustünden wie dem durch Samenspende gezeugten Kind und dass ein formalisiertes, der staatlichen Kontrolle unterworfenes Verfahren eingeführt würde.   

R. Schmidt (29.8.2018)



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