Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kindes, wer im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder war. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Ehemanns, die immer dann eingreift, wenn im Zeitpunkt der Geburt des Kindes eine Ehe mit der Mutter bestanden hat. Mit dieser Regelung greift der Gesetzgeber den römischen Rechtsgrundsatz: "pater est, quem nuptiae Demonstrant" (Vater ist, wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist) auf, um den Status des während der Ehe geborenen Kindes auf eine verlässliche Grundlage zu stellen: Unabhängig davon, wer aus biologischer (d.h. genetischer) Sicht Vater ist, gilt juristisch als Vater, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist (siehe R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 469).
Für gleichgeschlechtliche Ehepartner (hier: die Ehefrau der Kindsmutter) greift § 1592 Nr. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts jedenfalls nicht direkt, was die Frage nach einer analogen Anwendung aufwirft. Diese Frage war Gegenstand der BGH-Entscheidung, der folgender Sachverhalt
zugrunde lag (leicht abgewandelt, um das Problem zu fokussieren): Die Kindsmutter und die Antragstellerin (deren heutige Ehefrau) lebten seit Mai 2014 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Nach Einführung der "Ehe für alle" (siehe dazu ausführlich R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 20a ff.) schlossen sie am 12.10.2017 durch Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft die Ehe. Am 3.11.2017 wurde das Kind geboren, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses der beiden Frauen durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt worden war. Im Geburtenregister wurde die Mutter eingetragen, nicht aber ihre Ehefrau als weiterer Elternteil. Diese beantragte daraufhin beim Standesamt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt werde. Der Antrag blieb jedoch erfolglos. Daraufhin erhob die Ehefrau Klage beim Familiengericht. Dieses gab der Klage statt und wies den Standesbeamten an, sie "als weiteren Elternteil bzw. als weitere Mutter" einzutragen. Auf die hiergegen vom Standesamt und der Standesamtsaufsicht eingelegten Beschwerden hat das Oberlandesgericht den familiengerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Antrag der Ehefrau zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin vor dem BGH blieb ebenfalls erfolglos.
Die Entscheidung
des BGH: Der BGH hat entschieden, dass die Ehefrau der Kindsmutter nicht mit der Geburt rechtlicher Elternteil des Kindes geworden sei. Die allein in Betracht zu ziehende Elternstellung gemäß oder entsprechend § 1592 Nr. 1 BGB scheide aus, weil diese Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Ehe zweier Frauen anwendbar sei. Mit dem am 1.10.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 ("Ehe für alle") habe der Gesetzgeber zwar die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, jedoch das Abstammungsrecht (noch) nicht geändert. Die direkte Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regele und diese aufgrund einer widerlegbaren Vermutung einem bestimmten Mann zuweise. Die Abstammungsregeln der §§ 1591 ff. BGB hätten nach wie vor die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand. Das Gesetz nehme ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil habe, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unterschiedlichen Geschlechts vor. Die Vorschrift sei auch nicht entsprechend (d.h. analog) anwendbar, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorlägen. Das Gesetz weise schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mitelternschaft bei gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf. Zwar sei richtig, dass der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität habe beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, habe beseitigen wollen. Er habe aber bislang von einer Reform des Abstammungsrechts bewusst Abstand genommen, wie der Umstand belege, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Arbeitskreis eingesetzt habe, der eine umfassende Reform des Abstammungsrechts habe vorbereiten sollen und sich dabei auch intensiv mit der Frage gleichgeschlechtlicher Elternschaft befasst habe. Dieser habe seinen Abschlussbericht am 4.7.2017 und damit wenige Tage vor Erlass des Gesetzes zur "Ehe für alle" vorgelegt, sodass der Bericht nicht mehr in das Gesetz zur Neuregelung der Ehe vom 20.7.2017 habe einfließen können. Daneben fehle es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen mit der von § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Elternschaft des mit der Kindsmutter verheirateten Mannes. Denn die Vaterschaft kraft Ehe beruhe darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbilde. Die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende widerlegbare Vermutung der Vaterschaft sei für die mit der Kindsmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet.
Die bestehende Rechtslage verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Insbesondere stelle es keine (ungerechtfertigte) Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 I GG dar, dass die Ehefrau der Kindsmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes sei. Vielmehr sei die Situation insoweit verschieden, als die Ehefrau rein biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein könne. Dieser Unterschied rechtfertige die im Rahmen des Abstammungsrechts nach wie vor bestehende abweichende Behandlung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren und deren Kindern. Der Ehefrau einer Kindsmutter bleibe daher jedenfalls bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nur die Möglichkeit einer Adoption nach § 1741 II S. 3 BGB, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen.
Bewertung:
Handelt es sich bei den Ehepartnern um zwei Frauen und gebärt eine der beiden Frauen (durch natürliche oder künstliche Befruchtung) ein Kind, stellt sich - wie der BGH zu Recht aufzeigt - die Frage nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zur Ehepartnerin der Mutter. § 1592 Nr. 1 BGB greift jedenfalls nicht direkt, da die Vorschrift allein die Vaterschaft regelt und die Ehefrau der Mutter nicht "Vater" sein kann. Eine analoge Anwendung lehnt der BGH - wie aufzeigt - ab. Folgt man dem, wäre mit dem BGH tatsächlich nur an eine Adoption zu denken, wobei aber jedenfalls weder eine Einzeladoption noch eine Stiefkind- oder Sukzessivadoption in Betracht kommen:
Während eine Einzeladoption nur unverheirateten Personen möglich ist (§ 1741 II S. 1 BGB), muss für eine Stiefkindadoption der eine Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung leiblicher Vater/leibliche Mutter eines Kindes sein, das dann der andere, adoptionswillige Ehegatte annehmen kann (§§ 1741 II S. 3, 1749 I S. 1 BGB – dazu R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 597). Die Annahme eines nach der Eheschließung geborenen Kindes ist danach also - entgegen dem BGH - nicht möglich. Denn § 1741 II S. 3 BGB knüpft - wie aufgezeigt - an den Umstand an, dass der Ehepartner des Adoptivwilligen bereits vor der Eheschließung leiblicher Elternteil war. § 1741 II S. 3 BGB passt also schlicht nicht für die vorliegende Konstellation (a.A. der BGH).
Es scheidet aber auch eine Sukzessivadoption aus: Zum einen betrifft sie nur den Fall, dass der Ehegatte das bereits zuvor vom anderen Ehegatten adoptierte Kind annimmt, und zum anderen muss das vom anderen Ehegatten adoptierte Kind bereits vor der Eheschließung angenommen worden sein, wie sich aus § 1742 BGB ergibt – dazu ebenfalls R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 597). Nichts von dem trifft auf die vorliegende Konstellation zu.
Selbst wenn man die vom BGH für möglich gehaltene Adoption nach § 1741 II S. 3 BGB in Erwägung zieht, ist Voraussetzung, dass das (sozial zu verstehende) Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Annehmenden und dem Kind entweder bereits besteht oder die ernsthafte Aussicht seiner Entstehung vorhanden ist. Das darüber entscheidende Familiengericht darf die Annahme erst aussprechen, wenn nach seiner Überzeugung diese Voraussetzungen feststehen (BT-Drs. 7/5087, S. 9). Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, soll die Annahme als Kind i.d.R. erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat (§ 1744 BGB). Weiterhin muss das Gericht bei seiner Entscheidung über das Vorliegen der Adoptionsvoraussetzungen alle (sonstigen) wesentlichen Umstände berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die Eignung des Bewerbers. Zu berücksichtigen sind: Alter und körperliche Leistungsfähigkeit, seelische Belastbarkeit, Charakter, Wohnungs- und Vermögensverhältnisse, berufliche und gesellschaftliche Stellung, Erziehungsfähigkeit und -willigkeit, Vorhandensein weiterer Kinder, Intaktheit der Ehe und sonstige (besondere) Eigenschaften.
Auf das alles kommt es aber nicht an, wenn ein Fall des § 1592 Nr. 1 BGB vorliegt. Denn dann besteht eine Elternschaft kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen. Eine direkte Anwendung kommt - wie aufgezeigt - allerdings nicht in Betracht, da die Ehefrau der Kindsmutter nicht Vater sein kann. Daher ist an eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB
zu denken (siehe bereits R. Schmidt, Familienrecht, 9. Auflage 2018, Rn. 462o und nunmehr auch BGH 10.10.2018 - XII ZB 231/18). Dazu müssten die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Diese sind:
Bestehen einer Regelungslücke (d.h. einer Unvollständigkeit im Gesetz),
Bestehen einer Interessenlage, die es gebietet, die Lücke bzw. Unvollständigkeit i.S. der vorhandenen Regelung zu schließen (Interessengleichheit),
Planwidrigkeit der Regelungslücke (d.h. eine versehentliche Unvollständigkeit im Gesetz)
(vgl. dazu auch BGHZ 105, 140, 143; 120, 239, 251 f.; 149, 165, 174; BGH NJW 2003, 1932, 1933; NJW 2016, 2502, 2503; ferner Koch, NJW 2016, 2461, 2463; Kuhn, JuS 2016, 104; R. Schmidt, BGB AT, 17. Auflage 2018, Rn. 40).
Eine Regelungslücke
besteht. Auch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 20.7.2017 hat die vorliegende Konstellation nicht erfasst. Insoweit ist dem BGH Recht zu geben. Anders als der BGH meint, besteht jedoch durchaus eine Interessenlage, die es gebietet, die Lücke bzw. Unvollständigkeit i.S. der vorhandenen Regelung (hier: § 1592 Nr. 1 BGB) zu schließen. Denn lässt man die Ehe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts (hier: zwei Frauen) zu und gebärt eine der beiden Frauen während der Ehe ein Kind, gebieten es sowohl die Interessen der Ehepartner als auch die des Kindes, dass eine juristische Elternschaft zu beiden Elternteilen unter denselben Voraussetzungen besteht, wie das bei einer Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 1 BGB der Fall wäre. Der vom BGH vorgenommene Verweis auf die Adoptionsmöglichkeit nach § 1741 II S. 3 BGB (falls eine solche überhaupt besteht, s.o.) erscheint angesichts des zum Zeitpunkt der Geburt bereits bestehenden Eheverhältnisses zur Kindsmutter für die Beteiligten nicht zumutbar. Die Interessenlage ist dieselbe wie bei heterosexuellen Ehepaaren. Schließlich ist die vorhandene Regelungslücke auch planwidrig. Insbesondere ergeben sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6665, S. 7 f.) keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber der Ehefrau der Kindsmutter bewusst die Elternschaft verwehren wollte. Selbst wenn man mit dem BGH ein plangemäßes Unterlassen (d.h. einen absichtsvollen Regelungsverzicht) annimmt, ist dem mit Blick auf den übergeordneten Verfassungskreis keine Beachtung zu schenken. Es stellt nicht nur eine Verletzung des Elternrechts aus Art. 6 II GG dar, sondern auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts (siehe Art. 3 III S. 1 GG), wenn der Ehemann der Kindsmutter kraft Gesetzes Elternteil wird und die Ehefrau der Kindsmutter auf den (ungewissen) Adoptionsweg verwiesen wird. Und selbst wenn man den Adoptionsweg als einigermaßen risikolos betrachtet, so stellt doch allein die Auferlegung dieses Verfahrens eine Diskriminierung dar. Entgegen der Auffassung des BGH liegt daher auch ein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens gem. Art. 8 I EMRK und das Diskriminierungsverbot gem. Art. 14 EMRK vor (siehe dazu auch EGMR NJW 2011, 1421). Nach EGMR NJW 2013, 2173 diskriminiert die fehlende Möglichkeit der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich diese im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paaren und verstößt gegen Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK. Ein Ausschluss von Stiefkindadoptionen bei gleichgeschlechtlichen Paaren zum Schutz der Familie im traditionellen Sinne oder zum Wohl des Kindes sei nicht notwendig. Daraus folgt, dass der EGMR durchaus geneigt ist, im Sinne gleichgeschlechtlicher Paare zu entscheiden.
Fazit:
Liegen damit die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB vor, wird die mit der Kindsmutter verheiratete Frau zum Zeitpunkt der Geburt juristische Mutter. Terminologisch kann man (in Anlehnung an das norwegische Recht) von "Mitmutter" sprechen.
Von der Zulässigkeit (und Gebotenheit) einer analogen Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB abgesehen, ist selbstverständlich der Gesetzgeber gefordert, das Versäumnis einer gesetzlichen Regelung auszugleichen und eine entsprechende Regelung nachzuholen. Diese könnte etwa durch eine Änderung des § 1591 BGB erfolgen und lauten (siehe bereits R. Schmidt, Familienrecht, 9. Auflage 2018, Rn. 462o):
§ 1591 Mutterschaft
Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Mutter eines Kindes ist auch die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.
R. Schmidt
(18.11.2018)